Leistungskurs Musik
2000/02 am Celtis-Gymnasium, SchweinfurtThema/Themen:
Heinrich Schütz: Vorrede zur "Geistlichen Chormusik" (1648)
Inhalte:
Wir wollten uns mit der sprachlichen Charakteristik eines barocken Textes vertraut
machen. Dazu haben wir versucht, die "Vorrede" (hier das
Original) in heutiges Deutsch zu übertragen. Das war stellenweise eine harte Nuß.
Hier das Ergebnis der drei Arbeitsgruppen.
Interessierter Leser:
Es ist bekannt und offensichtlich, dass, nachdem der Kompositionsstil des Generalbasses
von Italien nach Deutschland gekommen ist, er sofort positiv aufgenommen und schnell
beliebter wurde als je ein Kompositionsstil zuvor. Dies zeigt sich besonders an den
zahlreich erhältlichen Notenausgaben der musikalischen Werke im Handel. Derartige
Neuerungen möchte ich hier keineswegs ablehnen, sondern den deutschen Musikern, die
diesen Kompositionsstil bevorzugen, einige Hinweise geben. Es ist eine Tatsache, dass auch
der gut ausgebildete Musiker niemals eine andere Kompositionsart ordentlich angehen und
damit umgehen kann, wenn er sich nicht zuvor ausreichend mit dem Kontrapunkt beschäftigt
und sich somit vorher mit dem nötigen Handwerkszeug ausgestattet hat. Dieses sind unter
Anderem die Kirchentonarten, Kanon einfach, gemischt und in der Umkehrung, Doppelter
Kontrapunkt, unterschiedliche Anwendung verschiedener musikalischer Stilarten,
Stimmführung, Verknüpfung der Themen und dergleichen mehr. Darüber gibt es genügend
theoretische Abhandlungen und die Studierenden werden in der Praxis darin unterrichtet.
Kompositionen ohne diese Techniken (auch wenn sie Nichtmusikern noch so schön erscheinen)
können vor erfahrenen Komponisten nicht bestehen oder werden zumindest als nicht
wertvoller als eine taube Nuss eingeschätzt.
Deshalb sah ich mich veranlasst, ein solches Werk ohne Generalbass wieder einmal anzugehen
und dadurch vielleicht etliche, insbesondere aufstrebende deutsche Komponisten anzuregen,
dass sie, bevor sie zu dem konzertierenden Stil übergehen, zuvor diese harte Nuss (in der
ein guter Kern und damit das echte Fundament eines guten Kontrapunktes zu suchen ist)
knacken. Darin müssen sie sich erst einmal beweisen: So wie es auch in Italien (wo ich
als junger Mann die Fundamente meines Berufes gelegt habe) in einer anspruchsvollen
musikalischen Ausbildung der Brauch war, dass Anfänger erst einmal solche geistlichen und
weltlichen Werke ohne Generalbass genau ausgearbeitet und veröffentlicht haben. Ich nehme
an, dass das immer noch so ist. Ich möchte darauf hinweisen, dass diese wohlmeinenden
Bemerkungen nur der Musik und der Vermehrung des Ruhmes unserer Nation dienen, nur das
Beste wollen und niemanden herabsetzen.
Es darf aber nicht übersehen werden, dass auch dieser Kirchenmusikstil ohne Generalbass (den ich daher Geistliche Chormusik nennen möchte) nicht gleichförmig ist. Etliche solcher Kompositionen sind eigentlich für Orgel oder für einen mit Vokal- und Instrumentalstimmen besetzten Chor gedacht. Teilweise sind sie so angelegt, dass sie - mit besserem Effekt - die Stimmen nicht verdoppeln oder verdreifachen und so weiter, sondern in Vokal- und Instrumentalpartien unterteilen. Auf solche Weise kann mit gutem Effekt mit der Orgel oder sogar auf zwei oder mehrere Chöre verteilt musiziert werden (wenn es eine Komposition von acht, zwölf oder mehr Stimmen ist). Beide Arten kommen in meinem gegenwärtigen Werk mit nur wenigen Stimmen vor (vor allem bei den letzten Stücken, bei denen ich daher auch den Text nicht habe drucken lassen). Ich gehe davon aus, dass der kompetente Musiker diese Dinge bei den anderen Stücken selbst beurteilen kann und sie deshalb angemessen ausführen kann.
Ich wehre mich dagegen und möchte auf keinen Fall, dass jemand das hier dargestellte so auslegt, dass ich dieses oder irgend ein anderes meiner veröffentlichten musikalischen Werke als Belehrung oder Modell verstanden wissen oder dafür werben wollte. Denn ich gestehe gerne die Unbedeutendheit dieser Werke.
Ich will hiermit vielmehr alle und jede auf die vornehmsten Komponisten, vorbildliche
italienische und ebenso andere alte und neue Autoren verweisen, als auf die vortrefflichen
und unvergleichlichen Werke derer, die solche in Tabulatur bringen und sich mit Fleiß
umsehen werden; die in dem einen und dem anderen Stil in hellem Licht leuchten und die auf
dem rechten Weg zum Kontrapunkt hinführen können. Ich habe darin noch Hoffnung und habe
auch darüber eine Nachricht erhalten, dass ein mir sehr gut bekannter Musiker, sowohl in
der Theorie als auch in der Praxis sehr erfahren, bald die gleiche Traktat aufzeigen wird,
die besonders uns Deutschen sehr nützlich sein wird. Wenn jemand diese beiden letzten
Absätze aufmerksam liest, möge er eine Nachricht an den Leiter des Musikkurses schicken
und sich zur Qualität derselben äußern. Dieses werde ich mit Fleiß sehr gerne tun,
damit es stattfindet, dem allgemeinem Musikstudium zum Besten.
Endlich: Da auch ein Organist diesem von mir eigentlich ohne Basso continuo geschriebenen
Werk gerne nacheifert und sich nicht abhalten lassen wird, diesen in die Tabulatur oder
Partitur zu setzen, lebe ich in der Hoffnung, dass der darauf verwendete Fleiß und die
Bemühungen nicht alleine besteht, sondern auch diese Art von Musik um so mehr ihren
gewünschten Erfolg erreichen wird.
Gott mit uns sampt und sonders in Gnaden! (originale Schlußwendung) Author
Links: (T. K.)
Überblick von
Rüdiger Mohr zur Geistlichen Chormusik
Referat über
Heinrich Schütz (von mir nicht durchgelesen)
Original der Vorrede Zurück zur LK-Hauptseite