Leistungskurs Musik 2003/05          am           Celtis-Gymnasium, Schweinfurt
Zusammenfassung ausgewählter Inhalte
der Kursstunde am Mittwoch, den 09.03.2005 von 11.25 bis 12.55 Uhr.
Protokollführerin: Judith Reuß     www.musiklk.de/2003/48bartq4.htm

 

Thema/Themen der Kursstunde:

 

Béla Bartók, IV. Streichquartett

 

 

1. Satz:

       Allegro, mehrthemig, dynamisch, („Sonate“), Hauptton C, „Normalklang“

Am Anfang der Kursstunde hören wir den Beginn des 1.Satzes aus Béla Bartóks IV. Streichquartett.

Unseren ersten Höreindruck schildern wir mit etwa diesen Adjektiven: „verwirrt; aufgeregt; aggressiv; laut; scharf.“ Eine Kommunikation zwischen den verschiedenen Stimme können wir nicht feststellen.

 

Das Stück beginnt mit einer Einleitung, bis schließlich in Takt 11 zum ersten Mal das 1. Thema (Abb. 1) erklingt. Mithilfe der Notenbeispiele analysieren wir, dass dieses kein Thema im klassischen Sinn ist; es ist vielmehr eine thematische Keimzelle, also ein sehr kurzes Element, das auf nur 6 Töne beschränkt, rhythmisch prägnant und chromatisch geprägt ist: dem zunächst chromatischen Aufgang von cis1 bis es1 folgt ein ebenfalls chromatischer Abgang von d1 nach c1. Auffallend ist zudem, dass diese thematische Keimzelle sofort, noch im selben Takt, von ihrer Umkehrung begleitet wird.

 

Nach erneutem Hören des Stückes versuchen wir die Einsätze zu beschreiben:

Sie folgen sehr schnell aufeinander. Das Intervall zwischen den einzelnen Stimmeinsätzen ist eine kleine Sekunde, was stets zu dissonanten Klängen führt. Beim dritten Einsatz kommt es demnach zu einer Sekundenschichtung. Notiert man diese, so entsteht eine sogenannte Tontraube, für welche man heute den Fachausdruck „Cluster“ gebraucht.

 

Nach einer kurzen Überleitung folgt dann das 2. Thema (Abb. 2), welches vom Tritonus gis - d geprägt ist.

 

Rhythmische Impulse charakterisieren, wie wir hören, den weiteren Verlauf des Stückes, bevor anschließend die Art Durchführung von einer besonderen Spieltechnik, dem glissando, beherrscht wird.

 

Da später deutlich das motivartige Thema hörbar ist, wobei die Bratsche das zweite Thema spielt, und Bezüge zum bisher Gehörten stets erkennbar sind, kann von einer Art Reprise gesprochen werden.

 

In der Coda verkürzt Bartók das thematische Material immer weiter.

 

Das folgende Notenbild (Abb. 3), welches einen Ausschnitt der 1. Geige zeigt, beschreiben wir so:


Deutlich wird sofort der stetige Wechsel zwischen forte-Stellen (a) und piano-Stellen (b), wobei Letztere immer mehr verlängert werden.

Der erste, auch längste, forte-Abschnitt, der eine Ausweitung des motivartigen Themas in Bezug auf Länge und Tonumfang darstellt und zudem diatonisch statt chromatisch ist, wird bei seinen „Wiederholungen“ immer mehr verkürzt. Somit zeigt die dritte forte-Stelle dann nur noch die thematische Keimzelle, welche aber in den nächsten forte-Abschnitten noch weiter, im 7. letztlich bis auf ihre letzten 3 prägnanten Töne, reduziert wird.

Dass wir diese Abschnitte trotzdem berechtigterweise auf das motivartige Thema zurückführen, liegt zum einen an den stets gleichmäßigen Aufwärtsbewegungen mit immer gleichen Artikulationsanweisungen Bartóks, und zum anderen am „Schlussmotiv“ der thematischen Keimzelle, dem chromatischen Abgang der letzten drei Töne.

Im unter dem „Titel“ „Lineare Metamorphose“ stehenden oben abgebildeten Ausschnitt aus Béla Bartoks IV. Streichquartett befinden sich über den Notenzeilen „Zahlen“, welche nicht vom Komponisten selbst stammen. Mit Hilfe dieser Zahlen sollen in dieser Ausgabe die Folge der Notenwerte verdeutlicht werden:

Im ersten (a)-Abschnitt folgen also eine Achtel, 5 Achtel, 3 Achtel, 2 Achtel und schließlich eine Achtel. Mit der Zahlenfolge der zweiten (a)-Stelle wird die bereits erklärte Verkürzung der forte-Abschnitte nochmals deutlicher, da diese eben nur noch 1/8, 3/8, 2/8 und 1/8 anzeigt.

Die Verlängerung der piano-Stellen wird ebenfalls mit den Zahlenwerten veranschaulicht: so besteht der erste (b)-Abschnitt aus einer Viertel, der zweite aus zwei Vierteln.

Jedoch können wir bei der dritten Zahlenfolge einen Fehler entdecken: laut ihr bestünde der dritte piano-Abschnitt aus zwei Vierteln und einer Achtel. Letztere gehört aber schon zum Thema und somit doch eigentlich zum (a)-Teil. Demzufolge ist es notwendig dieser Zahlenfolge kritisch gegenüber zu stehen.

 

Nachdem wir uns so sorgfältig mit dem ersten Satz des Werkes auseinandergesetzt haben, müssen wir zugestehen, dass hinter unserem ersten, eher negativen, Höreindruck doch sehr viel Musikalisches steckt, und wir doch zunehmend Gefallen an diesem Stück finden.

 

 

2. Satz:

Prestissimo, einthemig, statisch, („Scherzo“), Hauptton E, Spezialklang

 

Wie für ein Scherzo charakteristisch, hat der 2. Satz eine zweiteilige Form.

Für seinen speziellen Klang sorgen die Anweisungen „con sordino“ und „sul ponticello“. Bartók verlangt also, gemäß Ersterem, mit Dämpfer zu spielen. Letzteres fordert das Spielen nahe am Steg, was Kratzen und Pfeifen entstehen lässt und somit den Klang verfremdet.

 

 

3. Satz

Non troppo lento, einthemig, Lied, („Adagio“), Zentrum

 

Dieser Satz ist von einer liedhaften Melodie, einem improvisatorischen Celloeinsatz geprägt, welchen die drei anderen Stimmen begleiten.

 

 

4. Satz:

       Allegretto, einthemig, statisch, („Scherzo“), Hauptton As, Spezialklang

 

Auch er ist zweiteilig. Besonders markant ist sein Beginn: es setzen Viola, 2. Violine, Cello und 1. Violine fugenartig hintereinander, mit der abgebildeten „Intervallamplitude“ (Abb.4), ein.


Diese zeigt auf- und absteigende Linien mit, im Vergleich zum zweiten Satz (obere Notenzeile) erweiterten, diatonischen Intervallen. Zudem stehen Intervallamplitude des zweiten und vierten Satzes durch den, beiden gemeinsamen, Achtelrhythmus in Beziehung zueinander.

Bartók verlangt für den 4. Satz seines IV. Streichquartetts, was diesem seinen Spezialklang verleiht, ein extrem scharfes pizzicato. Dabei soll die Saite extrem weit hochgezogen werden, so dass sie bis auf das Griffbrett zurückschnellt.

 

5. Satz:

       Allegro molto, mehrthemig, dynamisch, („Sonate“), Hauptton C, „Normalklang“

Wie der abgebildete Ausschnitt (Abb.5) zeigt, hat dieser Satz eine besondere Akkordik:

Der erste Akkord, wie auch die 10 folgenden, besteht aus den Tönen c, des, fis und g. Versucht man ihn zu entschlüsseln, so sind also die Quinte c – g und zwei zu ihr jeweils benachbarte Töne zu spielen. Des und fis sind störend und machen den Akkord extrem scharf.

 

Die Besonderheit der Rhythmik ist ab Takt 4 des Ausschnittes sichtbar: Der Nachschlag der tiefen Stimmen verleiht diesem Satz einen synkopischen Charakter. Zudem wird in der dritten Notenzeile (ab Takt 12) der 2/4-Takt durch die Vorschläge und auch durch das sforzato gestört. Der Komponist notiert eigentlich den geraden Takt, doch musikalisch erklingt dieser dann völlig anders, da in einem Takt 5 Töne stehen. Das gespielte Metrum ist also unabhängig vom notierten. Bartók passt die Musik demnach mehr oder weniger in ein Raster von Taktstrichen ein, das der Spieler nicht wie der Druck es eigentlich verlangt einhalten kann.

 

Zudem enthält der 5. Satz die diatonische Abwandlung des Tritonus-Thema des 1. Satzes (vgl. Abb.2).

Wir allerdings stellen beim Hören der beiden „Themen“ im direkten Vergleich extreme Unterschiede fest und könnten nur durch das Hören ihre Beziehung zueinander wohl nicht entdecken.

 

Kennzeichnend für den Schluss dieses Werkes ist das sogenannte „col legno“, das vom Spieler fordert mit dem Holz auf die Seite zu schlagen.

 

Abschließend gehen wir noch auf die Form des Werkes ein:

Das IV. Streichquartett von Béla Bartók ist symmetrisch angeordnet. Das heißt, dass jeweils die Ecksätze (1. und 5. Satz) und die Mittelsätze (2. und 4. Satz) korrespondieren. Dadurch wird der 3. Satz zum Zentrum.

Es entsteht die sogenannte „Bogenform“, die Bartók selbst beschrieben hat.

 

CDs, Materialien, Bemerkungen:

Quelle der Abbildungen:

Hans Vogt, Neue Musik seit 1945, Stuttgart (Reclam) 1972, S. 181 ff