Leistungskurs Musik 2003/05         am         Celtis-Gymnasium, Schweinfurt
Zusammenfassung ausgewählter Inhalte
der Kursstunde am Montag, den 19.1.2004 von 11.25 bis 12.55 Uhr.
der Kursstunde am Donnerstag, den .2003 von 7.55 bis 9.25 Uhr.
Protokollführerin: Anna Esser       www.musiklk.de/2003/17palestrina.htm

Themen der Kursstunde:

Giovanni Pierluigi da Palestrina
- Palestrina-Stil
- "Missa brevis"
- "Missa papae marcelli"

Ausgewählte Inhalte:

A) Palestrina-Stil
1. Der künstlerisch anspruchsvolle Palestrina-Stil hat durch das strenge einhalten von Regeln die damalige mehrstimmige Kirchenmusik gerettet. Ohne diesen wäre die weitere kompositorische Entwicklung starken Einschränkungen unterworfen worden. (Tridentiner Konzil: 1545-1563).
2. Einige wichtige Regeln des Palestrina-Stils:
- Textverständlichkeit und kirchliche Würde
- Strenge Behandlung von Konsonanz und Dissonanz (sehr differenzierte Regeln für Dissonanzbehandlung)
- Melodik: stufenweise Fortschreitung ist das Ideal (statistisch: oft ebenso viele Sekundschritte wie alle anderen Intervalle zusammen)
- Parallelbewegungen von Quinten und Oktaven sind verboten
- Fließende, oft komplementäre Rhythmik
- Strenge Durchführung der Imitation
- Ausgewogenheit von Harmonie und melodischer Linie

B) Notenanalyse
1. "Missa brevis" von Giovanni Pierluigi da Palestrina
(Kyrie eleison - Christe eleison - Kyrie eleison)
Tonart: (nach unserem Verständnis) F-Dur, hier: Transponiertes Ionisch = F-Ionisch
(nach den modalen Kirchentonarten entspricht ionisch dem Dur und äolisch dem Moll)
1.1 Kyrie 1 (Mensur 1-19)
a) Durchimitation: Thema (Soggetto) wird von allen Stimmen imitiert
(Soggetto: "Kyrie eleison")
b) Themenbeschreibung
- Tonumfang: Quinte
- keine großen Sprünge (fast nur Sekunden)
- Melodieverlauf wellenartig
- Rhythmische Bewegung > Thema ruhig, beginnt mit langen Noten, geht in Bewegung über
- Quartsprung (e-a) am Themenende (Alt)
> die Töne, die übersprungen wurden, werden "nachgeliefert" (Sprung ausgefüllt)
c) Gliederung
- Kyrie 1 lässt sich in zwei Abschnitte unterteilen. Der zweite Abschnitt beginnt in Mensur 9!
> alle 4 Stimmen hatten ein Mal das Thema!
d) Beschreibung der Stimmen im zweiten Abschnitt:
- Alt: Variation des Themas (Diminution, d.h. Verkürzung auf halbe Notenwerte)
- Bass: hat nochmals das Thema
- Tenor: schafft durch Überschweifen eine geschickte Verbindung von erstem und zweitem Abschnitt
e) Rhythmus im zweiten Abschnitt:
- Komplementärrhythmus, die Stimmen ergänzen sich gegenseitig 
(hier: 8-el Bewegung als übergeordnete Bewegung)
f) Diminution:
- im Alt: Mensur 10
- im Tenor: Mensur 15
g) Schlusskadenz: (Möglichkeiten: authentisch (V-I), plagal (IV-I))
> hier: authentische Kadenz
1.2 Christe eleison (Mensur 20-37)
a) Auffälligkeiten: Thema verändert sich, der Imitationsansatz ist nicht mehr so konsequent wie am Anfang
b) Engführung in der ersten und zweiten Stimme (der Einsatz kommt vor Abschluss des Soggettos)
1.3 Kyrie 2 (ab Mensur 38)
a) Durchimitation: Bass beginnt mit dem Soggetto
b) Kompositorische Besonderheit im Bass (Mensur 45):
> Themenkopf wird sequenziert, die anderen Stimmen haben kein Thema mehr
c) Schlusskadenz:
- viertletzte Mensur (55): authentische Kadenz
- die letzten drei Mensuren (56-58): plagale Kadenz

2. "Missa Papae Marcelli" von Palestrina
(Papst Marcellus gewidmet)
2.1 Überblick: Im Motettenstil mit Imitation
2.2 Vorgeschichte:
Papst Marcellus war derjenige, der trotz sehr kurzer Dienstzeit (22 Tage) die Reform der Kirchenmusik zur Zeit des Tridentiner Konzils (1545-1563) in Bewegung gesetzt hatte. Palestrina hat daher die "Missa Papae Marcelli" dem Papst gewidmet und als Paradestück beim Tridentiner Konzil abgegeben.
> Berechtigung, dass in Zukunft auf diese Weise komponiert werden darf
2.3 Gloria
- 6-stimmig
- Kompositionsweise: homophon (viel Text > meist homophon)
- der Chor ist in Gruppen aufgeteilt ("Coro-spezzato-Technik")
2.4 Credo
- ebenfalls textreicher Satz > überwiegend homophon

C) Der Palestrina-Stil wurde in Kontrapunkt-Lehren vermittelt (punctus contra punctum = "Note gegen Note"-Kompositionsweise). 
1725 ist das erste bedeutende Kontrapunkt-Buch "Gradus ad Parnassum" von Fux entstanden, in dem Fux die von Palestrinas Kompositionsstil abgeleiteten Regeln der Kontrapunkt-Lehre formuliert.
Bis heute ist der Palestrina-Stil Grundlage der Kontrapunkt-Lehre!

CDs, Materialien, Bemerkungen:

"Materialien zur Musikgeschichte 2", "dtv-Atlas Musik, Band 1"
Noten Missa brevis bei Williams College, Williamstown, Massachusetts
http://wso.williams.edu/cpdl/sheet/pal-mb1.pdf 
Noten Missa Papae Marcelli bei der Choral Public Domain Library unter Palestrina

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